Traumabindung: Finde heraus, ob du betroffen bist

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Traumata
Foto von Bastian Riccardi (Pexels)

Manchmal fühlen wir uns von bestimmten Menschen extrem angezogen.

Doch wenn wir beginnen, mit ihnen in irgendeine Art von Beziehung zu treten, fühlen wir uns wie in einer emotionalen Achterbahn.

Statt einfach nur verliebt zu sein, bekommen wir ständig gemischte Signale von den Partner:innen. Manchmal sogar sehr negativ. Doch darauf folgen wieder positive Gesten und Interaktionen. Man steckt in einem konstanten Zustand von Angst, Verwirrung und starker Anziehung.

Woran liegt das? Was geht hier vor? Warum kann es nicht einfach sein?

Es kann sein, dass du dich in einem Trauma Bond befindest. Eine Beziehung, die durch die Vertrautheit früherer traumatischer Erlebnisse in deinem Leben entstanden ist. Das werde ich in diesem Artikel noch genauer erklären.

Eine Traumabindung (auch Trauma Bonding genannt) ist eine enge emotionale Verbindung zwischen zwei Menschen, die auf einem Kreislauf von Schmerz, Manipulation und Belohnung basiert.

Das Heimtückische daran: Die betroffene Person fühlt sich trotz Leid und Missbrauch unfassbar stark an die andere gebunden. Warum das so ist und wie du erkennst, ob du betroffen bist, erfährst du hier.

Traumabindungen / Traumabinding – Die falsche Liebe erklärt

Die Theorie der traumatischen Bindung geht mitunter auf die Bindungstheorie des britischen Psychologen John Bowlby zurück. Seine Forschung zeigt, dass Menschen von Geburt an enge emotionale Verbindungen suchen, selbst wenn diese schädlich sind. Das ist darauf zurückzuführen, dass Säuglinge und Kleinkinder Schutz brauchen. Sie sind nicht fähig, alleine zu überleben und somit auf die Nähe der Bezugspersonen angewiesen. Das heißt, selbst wenn die primäre Bezugsperson das Kleinkind missbräuchlich behandelt, wird es die Verbindung zu dieser Person suchen.

In der Praxis kann das heißen, dass Vernachlässigung und Misshandlung durch die Eltern oder Erziehungsberechtigten zwar traumatische Erfahrungen für das Kind bedeuten, es sich dadurch aber trotzdem nicht abwenden wird.

Das Kind hat eine emotionale Bindung zu den primären Bezugspersonen, ganz gleich, was passiert. Diese Bindung wird oft verstärkt, da neben der Zurückweisung und Misshandlung auch positive Interaktionen für das Kind stattfinden. Der wiederkehrende Kreislauf aus Belohnung und Bestrafung schürt die Hoffnung auf Belohnung und lässt das Kind weiter abhängig werden.

Was hat das mit Beziehungen zwischen Erwachsenen zu tun?

Wer in einem toxischen Machtgefälle und missbräuchlichen Beziehungen aufwächst, verinnerlicht diese Dynamik und geht unterbewusst davon aus, dass dies Liebe ist.

Anders gesagt, du kennst nichts anderes. Die starke Bindung und das begrenzte Bewusstsein eines Kindes ordnet das Verhalten der Bezugspersonen als „Standard“ ein.

Der unterbewusste Gedanken Pfad sieht so aus: ,,Meine Eltern lieben mich. Sie behandeln mich so… So fühlt es sich also an, geliebt zu werden.“

Du überträgst diesen Glauben unterbewusst in das Erwachsenenalter und ziehst Partner:innen an, die dich ähnlich behandeln, wie du es aus deiner Kindheit gewohnt bist. 

Der Kreislauf wiederholt sich.

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Im Wechsel zwischen Belohnung und Bestrafung

Die Anziehung zu gewissen Menschen besteht also darin, dass du dich zu einem gewohnten Szenario hingezogen fühlst, statt zu dem Menschen direkt. 

Obwohl du schlecht behandelt wirst, fühlst du dich zu der Person hingezogen, denn dieses Verhalten kommt dir vertraut vor. Und du kennst es nicht, anders behandelt zu werden. Was für andere wie Chaos aussieht, fühlt sich für dich wie „Zuhause“ an. 

Das passiert natürlich alles unterbewusst.

In einer toxischen Beziehung verfestigt sich die Traumabindung dann durch einen ungesunden Wechsel von Nähe und Distanz weiter:

  • Der Partner gibt zuerst Liebe, Zuneigung und Bestätigung.
  • Plötzlich folgt emotionaler Missbrauch, Kritik oder Abwertung.
  • Nach dem Schmerz kommt wieder eine Phase der „Liebe“, in der das Opfer Hoffnung schöpft.
  • Dieser Kreislauf wiederholt sich und vertieft die Abhängigkeit.

Das Gehirn beginnt, diese Dynamik zu verinnerlichen – ähnlich wie bei einer Sucht. Jedes „gute“ Verhalten des Partners fühlt sich an wie eine Belohnung nach einer langen Durststrecke. So, dass eine Abhängigkeit entsteht, die es schwer macht, sich zu lösen. Selbst wenn der Verstand längst erkannt hat, dass die Beziehung toxisch ist.

Psychische Folgen und Symptome von Betroffenen

Im Laufe der Beziehung des Trauma Bonds steigt der Druck auf die Psyche.

Das emotionale Auf und Ab kann langfristige Schäden hinterlassen, sowohl auf die psychische als auch auf die körperliche Gesundheit.

Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Ständiges Gefühl der Unsicherheit und Angst, den Partner zu verlieren
  • Geringes Selbstwertgefühl und Schuldgefühle
  • Schwierigkeiten, klare Grenzen zu setzen
  • Emotionale Erschöpfung und Depressionen
  • Chronischer Stress, Schlafstörungen und Panikattacken
  • Idealisierung des toxischen Partners, trotz Missbrauch
  • Unfähigkeit, die Beziehung zu verlassen oder loszulassen

Viele Betroffene rationalisieren das Verhalten ihres Partners oder hoffen auf eine Veränderung, obwohl sie tief im Inneren wissen, dass es nicht besser wird.

Test: Finde heraus, ob du in einer Traumabindung steckst

Dieser Test ersetzt keine professionelle Einschätzung deiner Situation, aber er kann dir helfen, deine Lage besser einzuordnen? Beantworte diese Fragen ehrlich. Danach wirst du mehr Klarheit haben.

  • Fühlst du dich extrem zu einer Person hingezogen, obwohl sie dir offensichtlich schadet?
  • Rechtfertigst du oft schlechtes Verhalten des Partners?
  • Hast du Angst, verlassen zu werden, selbst wenn du leidest?
  • Suchst du ständig nach Zeichen von Liebe und Bestätigung?
  • Wechseln sich in eurer Beziehung extreme Höhen und Tiefen ab?
  • Fühlst du dich emotional ausgelaugt, kannst aber nicht loslassen?
  • Glaubst du, dass du ohne diese Person nicht glücklich sein kannst?

Wenn du mehrere dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet hast, könnte es sein, dass du in einer ungesunden Traumabindung steckst.

So löst du dich von der toxischen Beziehung

Sich aus einer Traumaverbindung zu lösen, ist ein schwerer, aber wichtiger Schritt. Nur so kannst du deine mentale und körperliche Gesundheit schützen und wahres Glück finden. Folgende Maßnahmen können dir helfen:

  • Erkenne das Muster: Mach dir bewusst, dass du nicht wirklich „Liebe“ empfindest, sondern emotional abhängig bist.
  • Breche den Kontakt ab: Falls möglich, gehe auf Zero Contact – keine Nachrichten, keine Treffen, keine Social-Media-Interaktionen.
  • Umgib dich mit Unterstützung: Freunde, Familie oder eine Therapie können helfen, die emotionale Abhängigkeit zu überwinden.
  • Arbeite an deinem Selbstwert: Finde heraus, warum du dich auf eine toxische Beziehung eingelassen hast, und heile alte Wunden.
  • Schaffe neue Routinen: Beschäftige dich mit Hobbys, Sport oder kreativen Aktivitäten, um deinen Fokus zu verändern.

Der Entzug von einer Traumabindung kann sich wie ein kalter Entzug anfühlen, aber mit der Zeit wird es leichter.

Tipps, um die starken Gefühle zu überwinden

Es ist normal, nach der Trennung eine emotionale Achterbahnfahrt zu durchleben. Hier sind einige Tipps, um die intensiven Gefühle zu bewältigen:

  • Schreibe deine Gedanken auf: Ein Tagebuch kann helfen, Emotionen zu verarbeiten.
  • Meditation und Achtsamkeit: Diese Techniken helfen, im Hier und Jetzt zu bleiben und nicht in Erinnerungen zu versinken.
  • Reduziere Trigger: Vermeide Orte, Lieder oder Rituale, die dich an die Person erinnern.
  • Verstehe dein Bindungsmuster: Falls du dazu neigst, toxische Partner anzuziehen, lohnt sich eine Therapie, um frühere Wunden aufzuarbeiten.
  • Vertraue auf den Prozess: Heilung braucht Zeit. Erwarte nicht, dass du sofort „drüber hinweg“ bist – jeder Fortschritt zählt.

Vorsicht vor Narzissten: übliche Muster im Trauma Bonding

Narzissten sind besonders geschickt darin, Traumabindungen zu erzeugen. Sie nutzen gezielte Manipulationstechniken, um ihre Opfer emotional abhängig zu machen. Häufige Muster sind:

  • Love Bombing: Zu Beginn überschütten sie dich mit Liebe, Komplimenten und Aufmerksamkeit.
  • Gaslighting: Sie verdrehen die Realität, sodass du an deinem Verstand zweifelst.
  • Kalte Distanzierung: Sie ignorieren oder bestrafen dich emotional, wenn du nicht „funktionierst“.
  • On-Off-Dynamik: Sie verlassen dich oder drohen damit – nur um dich später wieder zurückzuholen.
  • Idealisierung und Abwertung: Sie heben dich auf ein Podest, nur um dich kurz danach zu erniedrigen.

Wenn du diese Muster erkennst, ist das ein klares Warnsignal, dass du dich schützen solltest.

Fazit

Eine Traumabindung fühlt sich oft wie echte Liebe an, ist aber in Wirklichkeit eine gefährliche emotionale Abhängigkeit. Durch psychologische Mechanismen, die mitunter auf Bowlbys Bindungstheorie basieren, geraten Betroffene in einen toxischen Kreislauf aus Schmerz und Belohnung. Der erste Schritt zur Heilung ist das Erkennen der Muster – und dann konsequentes Loslassen. Auch wenn es schwer ist, kannst du dich aus dieser ungesunden Beziehung befreien und ein neues, glücklicheres Leben beginnen.

(Dieser Artikel bezieht sich hauptsächlich auf Trauma Bonding im Kontext mit der Erfahrung aus der Kindheit. Mehr über Trauma Bonds nach Missbrauch im Erwachsenen Alter erfährst du hier)

Häufig gestellte Fragen zu Traumabindung

Wie lange dauert es, eine Traumabindung zu lösen?

Das ist individuell verschieden. Manche Menschen brauchen Monate, andere Jahre. Entscheidend ist, ob du aktiv an deiner Heilung arbeitest und Unterstützung suchst.

Kann eine toxische Beziehung geheilt werden?

In den meisten Fällen nicht – vor allem, wenn ein narzisstischer oder manipulativer Partner beteiligt ist. Solche Beziehungen sind selten gesund.

Warum fühlt sich eine toxische Beziehung so intensiv an?

Weil sie auf einem hormonellen Kreislauf aus Schmerz und Belohnung basiert, ähnlich wie eine Sucht. Das verstärkt die emotionale Abhängigkeit.

Sollte ich nach der Trennung mit meinem Ex-Partner befreundet bleiben?

Nein, das ist meist keine gute Idee. Um wirklich loszulassen, ist es wichtig, den Kontakt vollständig abzubrechen.

Was kann ich tun, wenn ich rückfällig werde?

Das ist normal! Sei geduldig mit dir und reflektiere, warum du zurückgegangen bist. Suche Unterstützung und erinnere dich an die Gründe, warum du dich lösen wolltest.

Autor

  • Gründerin vom Wise Woman Magazine | Kommunikationswirtin | Ernährungsberaterin nach traditioneller chinesischer Medizin | Coach für kognitive Verhaltenstherapie Techniken

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