11 Minuten Lesezeit
Inhalt
Wenn du diesen Artikel gefunden hast, bist du auf einen sehr wichtigen Pfad zur Heilung gestoßen.
Unter allem, was die Wissenschaft bisher über Körper und Geist Heilung herausgefunden hat, ist die Nervensystem Regulierung eine Methode, die unbedingt jeder:e kennen sollte.
Wenn du unter einem hohen Stresslevel stehst und / oder ein traumatisches Ereignis bzw. eine traumatische Vergangenheit durchlebt hast, ist die Regeneration deines Nervensystems für dich besonders bedeutend.
Vielleicht leidest du unter körperlichen oder emotionalen Beschwerden und kein Medikament hilft dir dabei nachhaltig. Oder vielleicht hast du schon eine lange Reise durch verschiedenste Arztpraxen hinter dir und keine verschriebene Therapie bringt dir Erleichterung. Im schlimmsten Fall nehmen dich einige Mediziner sogar nicht mehr ernst.
Das kann extrem frustrierend sein, und man steht oft davor, sich selbst aufzugeben und zu akzeptieren, dass man einfach nicht richtig „funktioniert“.
Auch ich war in der Hochphase meines Burnouts an einem solchen Punkt. Dann fing ich an einiges über das Sympathische Nervensystem & das Parasympathische Nervensystem, den Vagusnerv und Stressreaktion zu lernen.
Das Nervensystem ist ein Netz, welches sich durch unseren ganzen Körper zieht. Es beeinflusst Muskeln, Organe und sogar unsere Psyche.
Es ist verantwortlich für die Verarbeitung von Informationen und Reaktionen auf unsere Umwelt.
In diesem Artikel werde ich dir erklären, was ich gelernt habe, um mir selbst zu helfen, wie du dein Nervensystem beruhigen, Stress abbauen und sogar Traumata bearbeiten kannst.
Im ersten Abschnitt geht es darum, die wichtigsten Fakten zu klären. Im zweiten zeige ich dir, wie du ein dysreguliertes Nervensystem regulieren kannst. Für ein ganzheitliches Verständnis empfehle ich dir, beide Abschnitte zu lesen.
(Wichtig: In diesem Artikel schreibe ich ein wenig über verschiedene Formen von Traumata. Falls das für dich sehr unangenehm ist bzw. dich negativ triggert, solltest du diesen Artikel nicht lesen.)
Wie reagiert das Nervensystem auf Stress?
Das Nervensystem reagiert auf Stress durch die Aktivierung des sogenannten „Kampf- oder-Flucht“-Mechanismus. Dieser Prozess wird durch den Sympathikus, einen Teil des autonomen Nervensystems, gesteuert. Bei einer potenziell gefährlichen Situation erhöht der Sympathikus die Herzfrequenz, beschleunigt die Atmung und fördert die Freisetzung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol. Diese Reaktionen bereiten den Körper darauf vor, schnell auf die Bedrohung zu reagieren.
Nach einer Stresssituation aktiviert sich der Parasympathikus, der Gegenspieler des Sympathikus, um den Körper wieder in einen Ruhezustand zu bringen. Dieser Prozess wird auch als „Rest-and-Digest“-Modus bezeichnet. Ein gesunder Wechsel zwischen Sympathikus- und Parasympathikus-Aktivität ist entscheidend für das Wohlbefinden.
Viele Menschen haben jedoch Schwierigkeiten, zurück in diesen Ruhezustand zu kommen. Das liegt daran, dass Stressoren wie z.B. Arbeit oder soziale Probleme nicht verschwinden. Stell dir vor, du stehst im Wald und hörst plötzlich ein lautes Rascheln im Busch. Dich durchströmt sofort das Adrenalin. Doch dann hüpft lediglich ein kleiner Hase aus dem Busch, und du kannst dich sofort wieder entspannen. Das Gehirn signalisiert dir: ,,Keine Gefahr!“.
Dieser „Keine Gefahr“ -Moment bleibt bei chronischem Stress jedoch aus. Daher bleibt man angespannt.
Was passiert mit dem Nervensystem bei einer traumatischen Erfahrung?
Bei einer traumatischen Erfahrung kann das Nervensystem überwältigt werden. Normalerweise aktiviert der Körper den Sympathikus in der akuten Phase einer Bedrohung, gefolgt vom Parasympathikus, der den Körper wieder beruhigt. Doch bei einem Trauma kann dieser Zyklus gestört werden.
Traumata können dazu führen, dass das Nervensystem in einem hyperaktiven Zustand bleibt, in dem der Sympathikus dauerhaft aktiv ist. Das passiert, weil die empfundene Bedrohung eine überfordernde Wirkung auf das Nervensystem hat.
Die Bedrohung ist so überwältigend, dass das System quasi im Schock bleibt, wenn folgend nicht mit dem Nervensystem gearbeitet wird.
Dies bedeutet, dass der Körper in ständiger Alarmbereitschaft bleibt, selbst wenn keine unmittelbare Gefahr mehr besteht. In anderen Fällen kann das Nervensystem in einen Zustand der „Erstarrung“ verfallen, was durch eine Überaktivierung des Parasympathikus verursacht wird. Beide Zustände können langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit haben.
Welche Auswirkungen haben unbearbeitete Traumata auf das Nervensystem?
Unbearbeitete Traumata können das Nervensystem langfristig dysregulieren. Wenn das Nervensystem in einem Stress- oder Erstarrungszustand verharrt, kann dies zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen führen. Zu den häufigsten Auswirkungen gehören:
- Anhaltender Stress: Ein ständig aktiviertes Nervensystem kann zu Stress, Schlafstörungen, Angstzuständen, Panikattacken und Depressionen führen.
- Körperliche Beschwerden: Dysregulationen des Nervensystems können körperliche Symptome wie chronische Schmerzen, eine problematische Verdauung, chronische Krankheiten und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen.
- Emotionale Instabilität: Menschen mit unbearbeiteten Traumata haben oft Schwierigkeiten, ihre Emotionen zu regulieren und auszudrücken, was zu plötzlichen Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit und Wutanfällen führen kann.
- Soziale Probleme: Dysregulationen des Nervensystems können das Vertrauen und die Beziehungen zu anderen Menschen beeinträchtigen, da das Nervensystem ständig auf Bedrohungen fokussiert ist.
–
Warum ist es wichtig mit dem Nervensystem zu arbeiten, um Stress und Traumata zu lösen?
Wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, kann der Körper nach traumatischen Erfahrungen oder chronischem Stress in einem Erstarrungs- oder hyperaktiven Zustand feststecken. Das Problem ist, dass viele Menschen das jedoch gar nicht wahrnehmen bzw. wissen.
Stell dir vor, du bist als Kind in einem schwierigen Elternhaus aufgewachsen. Du musstest ständig aufpassen, nichts falsches zu machen oder zu sagen, weil du sonst beschimpft worden wärst. Das ist immenser Stress für ein junges Nervensystem. Doch du kennst es nicht anders. Du empfindest es daher als normal. Genauso empfindest du deinen emotionalen und körperlichen Zustand als „normal“ während du aufwächst. Irgendwann merkst du aber, dass du unter „unerklärlichen“ Symptomen leidest, wie die, die im oberen Abschnitt aufgeführt sind. Meistens geht der erste Griff in solchen Fällen zu Medikamenten. Diese helfen vielleicht temporär, lösen jedoch die Wurzel der Probleme nicht.
Indem du lernst, dein Nervensystem zu regulieren, dringst du zu dieser Problemwurzel vor und kannst viele körperliche und emotionale Beschwerden dauerhaft lindern.
Die Arbeit mit dem Nervensystem kann helfen, traumatische Erfahrungen zu integrieren und den Körper aus einem ständigen Alarmzustand zu befreien.
Ein reguliertes Nervensystem ermöglicht es dir, emotional stabiler zu sein und besser mit zukünftigen Stresssituationen umzugehen bzw. Resilienz aufzubauen.
Wie kannst du dein Nervensystem selbst regulieren?
Es gibt verschiedene Techniken, die dir helfen können, dein Nervensystem zu regulieren und Stress sowie die Folgen von Traumata zu mindern.
Eine sehr spannende und einfache Methode zum selbst anwenden hat die Nervensystem-Expertin Irene Lyon* zusammengestellt. Sie hat sich viele Jahre intensiv mit dem Nervensystem und verschiedenen Techniken zur Regulation befasst und ist der festen Überzeugung, dass jeder:e sich mit diesen Methoden selbst helfen kann. In manchen Fällen bedarf es zusätzlicher therapeutischer Unterstützung, doch die Methoden kannst du einfach und alleine zu Hause anwenden.
Eine einfache Methode zur Regulation des Nervensystems (nach Irene Lyons Forschung)
Eine Methode, die Irene Lyon beschreibt, ist der Prozess des Fühlens. Wenn wir uns nicht gut fühlen, versuchen wir oft Gefühle und Gedanken zu verdrängen, ignorieren oder uns abzulenken. Gerne wird Menschen in schwierigen oder stressigen Situationen auch geraten „sich einfach zu entspannen“. Doch abgesehen davon, dass es definitiv nicht leicht ist, sich mal eben schnell zu entspannen, löst Entspannung das Problem auch nicht langfristig.
Was du stattdessen tun kannst, ist, in deinen Körper hineinzufühlen.
Werde dir deiner genauen Gedanken und Gefühle bewusst und fühle, wo in deinem Körper du in diesem Zusammenhang Veränderungen bzw. Schmerz, Druck, Anspannung, Beklemmung, Kribbeln oder Hitze spürst.
Wut fühlt man zum Beispiel meistens im Brustkorb oder Hals. Oft spüren wir dort einen immensen Druck, wenn wir die Wut nicht rauslassen können.
Versuche all das, was du normalerweise unterdrücken, ignorieren oder verdrängen würdest, bewusst werden zu lassen.
Was denkst du?
Warum denkst du das?
Was fühlst du?
Wo fühlst du es?
Stell dir vor, du würdest mit einer eng vertrauten Person reden und müsstest ihr deinen Zustand genau beschreiben. Sei dabei 100% ehrlich.
Dann folge dem Bedürfnisse deines Körpers. Bei dem Beispiel Wut hast du vielleicht den Wunsch, einfach mal laut schreien zu wollen, oder ein Kissen zu schlagen (Solange du niemandem schadest, lass alles raus).
Die Idee dahinter ist, dem Körper die Reaktion zu erlauben, die er in dem Moment oder der Periode des Traumas nicht vollziehen konnte. Wenn du zum Beispiel emotionale oder körperliche Gewalt erfahren hast, wolltest du dich sicherlich wehren, aber warst erstarrt. Oder in einem Moment von Angst hättest du dich vielleicht in eine schützende Position begeben wollen, aber konntest es nicht. Wenn dir die Erinnerungen an deine Vergangenheit zu überwältigend erscheinen, dann arbeite dies lieber mit Therapeuten durch.
Ein anderes körperliches Bedürfnis könnte auch das Einnehmen der Fötusstellung sein, wenn du dich total überwältigt von allem oder traurig fühlst.
Oder vielleicht möchte dein Körper auch zusammensinken und einfach mal für ein paar Stunden nicht funktionieren müssen. Das war bei mir nach meinem Burnout der Fall. Als ich mit dieser Übung begann, wurde mir klar, dass ich nonstop weiter gemacht habe, ohne mir je eine richtige Pause zu gönnen. Interessanterweise zeigte mein Körper mir das zum Burnout Hochpunkt mit Ohnmacht. Diese Ohnmachtsanfällen wurden dann zu meiner größten Angst und ich entwickelte Panikattacken. Doch dann verstand ich, dass mein Körper das „Umfallen“ anscheinend braucht. Also legte ich mich für diese Übung in mein sicheres Bett, in der Stabilen-Seitenlage (damit ich so sicher wie möglich war, falls ich tatsächlich wieder ohnmächtig werde). Dann versuchte ich meinem Körper und Geist zu erlauben, komplett loszulassen. Als würde ich bewusst zulassen, dass mein Körper bewusstlos werden darf.
Das war natürlich eine große emotionale Herausforderung und hat mich ungelogen viel Überwindung gekostet. Doch das Gefühl, einfach endlich alles loslassen zu können und nicht funktionieren zu müssen, war unbeschreiblich heilend. Mir kommen heute noch die Tränen, wenn ich an diesen Moment denke. Und ich bin bei der Übung nicht ohnmächtig geworden ;).
Versuche also herauszufinden, welches Bedürfnis oder welche Emotion in deinem Körper gefangen ist. Was würdest du tun, wenn alles erlaubt wäre?
Weinen, schreien, lachen, sich selbst umarmen, sich in eine schützende Position begeben, „leblos“ im Bett liegen, ein Kissen schlagen, bestimmte Worte rufen wie „Nein!“ oder „Fuck off!“…alles ist möglich.
Falls du dich bei dieser Übung ein wenig überwältigt fühlst, versuche wieder Kontakt mit deiner Umwelt aufzunehmen. Schaue dich um und fasse Gegenstände an. Fühle den Boden unter deinen Füßen, rieche etwas, nutze alle deine Sinne. Das beruhigt das Nervensystem. Mache dir klar, dass du sicher bist und keine Gefahr besteht.
Weitere Übungen um das Nervensystem zu beruhigen
Zusätzlich zu der speziellen Methode, die Irene zusammengestellt hat, kannst du auch regelmäßig diese gängigen Übungen anwenden.
- Atemübungen: Tiefe, langsame Atemzüge können den Parasympathikus aktivieren und den Körper in einen Zustand der Ruhe versetzen. Eine einfache Übung ist die 4-7-8-Methode: Atme 4 Sekunden lang ein, halte den Atem für 7 Sekunden an und atme dann 8 Sekunden lang aus. Das Ausatmen verlangsamt den Herzschlag und ist daher länger als die Einatmung.
- Bewegung: Körperliche Aktivitäten wie Yoga, Tanzen oder Spazierengehen können helfen, überschüssige Energie abzubauen und das Nervensystem zu beruhigen.
- Zeit in der Natur verbringen: Die Natur war unser ursprüngliches und natürliches Zuhause. Unsere Häuser bieten zwar weit mehr Schutz, doch unser Körper fühlt sich einfach viel wohler in seiner ursprünglichen Umgebung. Frische Luft, der Geruch von Gras oder Meeresluft, den Sand unter deinen Füsse spüren… . Alleine bei der Vorstellung von Natur entspannt sich dein Nervensystem. Sollte es dir aus irgendeinem Grund nicht möglich sein, raus zu gehen, dann schließe deine Augen und stelle dir vor, dass du an einem wunderschönen Ort in der Natur bist und diesen mit all deinen Sinnen wahrnimmst.
- Achtsamkeit und Meditation: Regelmäßige Achtsamkeitsübungen und Meditation können helfen, den Geist zu beruhigen und das Bewusstsein für die eigene Körperreaktion auf Stress zu schärfen. Achtsam zu sein heißt zum Beispiel, dass du beim Essen die Serie ausschaltest und einfach nur dein Essen schmeckst. Oder du versuchst dich beim Sport sehr bewusst auf deine Bewegungen zu konzentrieren, statt über deine Sorgen zu grübeln.
- Selbstfürsorge: Sich Zeit für Erholung und Entspannung zu nehmen, ist entscheidend. Regelmäßiger Schlaf, gesunde Ernährung und Aktivitäten, die Freude bereiten, unterstützen ein gesundes Nervensystem.
- Genussmittel reduzieren: Wer Probleme mit chronischem Stress hat, sollte Koffein reduzieren. Auch Alkohol und Nikotin stimulieren das Nervensystem negativ. Diese Mittel erhöhen unter anderem den Blutdruck. Für langfristige Heilungserfolge ist es daher sehr ratsam, solche Substanzen nur als besondere Genussmittel anzusehen, oder am besten ganz darauf zu verzichten.
- Therapeutische Unterstützung: In einigen Fällen kann es hilfreich sein, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um tiefere traumatische Erfahrungen aufzuarbeiten und das Nervensystem nachhaltig zu regulieren.
Das Nervensystem zu regulieren ist ein Prozess. Manchmal kann eine Übung schon große Erleichterung bringen, doch um etwas zu bearbeiten, was sich über dein ganzes bisheriges Leben aufgebaut hat, ist es ratsam, wenn du am Ball bleibst und die Übungen in deinen Alltag integrierst.
Am besten speicherst du dir diesen Artikel oder machst dir Notizen. Du kannst ihn immer wieder durchgehen, wenn du dich in einer angespannten Situation befindest. So lernst du besser mit Stress umzugehen und endlich innerlich zur Ruhe zu kommen.
(Falls du dir über die Anwendung dieser Methoden unsicher bist, bespreche sie gerne mit Therapeuten oder Ärzten. Körperliche Beschwerden sollten auch stets mit Ärzten abgeklärt werden.)
*unbezahlte Werbung
Diese Artikel könnten dich auch interessieren:
Somatisches Training & Traumaheilung
Anzeige
Blaue Lotus Blüten – helfen Stress & Angst abzubauen und sind schlaffördernd.
Entdecke die Vielfalt der Naturmedizin bei meinem Partner Dancing Shiva Online Shop <3