Der ängstliche Bindungstyp: Probleme und 5 Lösungsansätze
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Inhalt
Hast du oft Angst vor einer Trennung?
Glaubst du häufig, dass deine Partnerschaft an seidenen Fäden hängt?
Oder fällt es dir vielleicht sogar schwer, romantische Beziehungen überhaupt erstmal aufzubauen und langfristig zu halten?
Das könnte an deinem speziellen Beziehungstyp liegen.
In der Psychologie gibt es eine Theorie, die Menschen in ein Bindungssystem einordnet.
Die Bindungstheorie.
Diese beschreibt, wie Menschen, basierend auf ihren frühen Erfahrungen mit Bezugspersonen, Beziehungen gestalten.
Laut dieser Theorie gibt es 4 Bindungstypen, die verschiedene Bindungsmuster haben. Diese 4 Bindungstypen beschreibe ich in folgendem Artikel genauer:
Wie die 4 Bindungstypen in Beziehungen agieren
In diesem Artikel gehe ich jedoch nur auf den Bindungstyp ein, dessen Hauptproblem die Verlustangst ist.
Der ängstliche Bindungstyp, auch als „unsicher-ängstlich“ bezeichnet, entwickelt oft eine intensive Sehnsucht nach Nähe und Bestätigung, gepaart mit einer tiefen Angst vor Ablehnung oder Verlassenwerden. Diese Dynamik kann für die Betroffenen und ihre Partner emotional belastend sein. In diesem Artikel beleuchte ich die Kernprobleme des ängstlichen Bindungstyps und gebe dir Strategien, mit denen du den ängstlichen Bindungsstil überwinden kannst.
Womit hat der ängstliche Bindungstyp zu kämpfen?
Im Gegensatz zu Menschen mit einem vermeidenden Bindungsstil, die zu intensivem Kontakt eher ausweichen, haben Personen mit dem ängstlichen Bindungsstil meist folgende Merkmale:
Starke Sehnsucht nach Nähe zum Partner: Sie müssen spüren, dass der Partner wirklich bei ihnen sein möchte, an sie denkt und sie für den Partner wichtig sind. Ansonsten quält sie ständig der Zweifel, ob sie geliebt oder geschätzt werden. Besonders wenn der Partner ihnen keine eindeutigen Signale dafür gibt.
Das kommt daher, dass sie als Kinder oft extrem vernachlässigt wurden. Davor haben sie unterbewusst auch im Erwachsenenleben Angst. Sie brauchen intensive Bestätigung und echte Nähe von ihren Partnern, ansonsten glauben sie, dass die Verbindung gefährdet ist.
Intensive Angst vor Zurückweisung: Schon kleine Anzeichen von Distanz oder Konflikt können große Unsicherheit und Sorgen auslösen. Sie haben als Kinder gelernt, dass sie oft alleine gelassen werden. Darum entwickelten sie einen Hyperfokus für Signale, die das Verlassenwerden andeuten könnten.
Hohe Sensibilität für emotionale Signale: Sie neigen dazu, die Handlungen und Worte anderer generell intensiv zu analysieren und meistens negativ auf sich zu beziehen. Sie waren als Kinder oft Zielscheibe für die negativen emotionalen Ausdrücke ihrer Eltern. Daher glauben sie, dass andere Menschen auch negativ über sie denken.
Übermäßige Abhängigkeit: Wenn sie nicht wissen, was ihr Partner tut oder sie nicht häufig in Kontakt sein können, beginnen sie sich große Sorgen zu machen. Sie brauchen das Gefühl von Sicherheit.
Diese Merkmale können nach außen sichtbar oder unsichtbar für die Mitmenschen sein. Während manche Menschen mit Bindungsangst ganz offen leiden, und ihre Partner:in spüren lassen, dass sie Nähe brauchen, leiden andere eher im Stillen und leugnen sogar ihre Ängste. Sie tun dies, weil sie Angst davor haben, den Partnern zur Last zu werden. Menschen mit ängstlichem Bindungsstil haben häufiger das Problem, dass ihre Ängste sie lähmen und davon abhalten sich authentisch auszudrücken.
Wie beschrieben liegen die Ursachen für diese Verhaltensweisen oft in der Kindheit. Kinder, deren Bezugspersonen unberechenbar in ihrer Zuwendung waren – mal liebevoll, mal distanziert – entwickeln ein tiefes Bedürfnis nach Bestätigung, kombiniert mit einem Gefühl, niemals sicher sein zu können.
Typische Probleme des ängstlichen Bindungstyps
Ängstliche Bindungstypen haben es oft schwer, harmonische und stabile Partnerschaften aufzubauen. Ihre extreme innerliche Unsicherheit löst bei den Partnern oft ein Protestverhalten oder Unverständnis aus.
Eifersucht
Die Angst, den Partner:in zu verlieren, führt oft zu einem Gefühl, ständig um die Beziehung kämpfen zu müssen. Dies kann sich in übermäßiger Kontrolle oder tiefer Eifersucht äußern, was auf Partner erdrückend wirkt.
Selbstaufopferung
Um Nähe zu erhalten, neigen ängstliche Menschen dazu, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen und sich stark an die Wünsche der Partner anzupassen. Dies führt langfristig zu Frustration und emotionaler Erschöpfung.
Konfliktscheue oder Überreaktion
Konflikte werden entweder gemieden, aus Angst, die Partner zu verlieren, oder eskalieren, da selbst kleine Probleme als existenziell wahrgenommen werden.
Selbstzweifel und Unsicherheit
Eine innere Stimme suggeriert ständig, dass man nicht liebenswert oder gut genug ist, was die emotionale Abhängigkeit und das Bedürfnis nach Bestätigung von Partnern verstärkt.
Schwierigkeiten Grenzen zu setzen
Um die Nähe zu den Partnern nicht zu gefährden, haben ängstlich gebundene Menschen Probleme damit, Grenzen für sich zu setzen. Sie lassen fast jedes Verhalten ihrer Partner über sich ergehen, um ja keinen Konflikt und ein mögliches Ende der Beziehung oder eine Distanzierung der Partner zu riskieren.
Aus diesem Grund findet man den ängstlichen Bindungsstil häufig in Beziehungen mit vermeidenden Bindungstypen oder sogar Beziehungen zu Narzissten. Diese beiden sind leider a perfect match. Am Anfang der Beziehung geben der Narzissten ihnen ständige Bestätigung (love bombimg). Dadurch beginnen die ängstlichen Typen sich in der Beziehung sicher zu fühlen. Doch dann beginnen der Narzissten, sie auszunutzen, zu beschämen, zu kontrollieren und mit bewusster Distanz zu manipulieren. Um die Nähe zum:zur narzisstischen Partner:in wiederherzustellen, gibt sich der ängstliche Typ völlig selbst auf und wird zum willenlosen Spielball für den Narzissten.
Strategien um den ängstlichen Bindungsstil zu überwinden
Doch es gibt Hoffnung. Bindungsstile sind nicht unveränderlich. Mit Selbstreflexion und Arbeit an dir selbst kannst du lernen, gesündere Beziehungsmuster zu entwickeln.
1. Selbstwert stärken und Bindungsunsicherheit entkräften
Das Kernproblem der Ängste und Unsicherheiten liegt in einem geringen Selbstwertgefühl. Es ist entscheidend, die eigene innere Stimme zu hinterfragen und durch positive Überzeugungen zu ersetzen.
Tipp:
Führe ein Tagebuch, in dem du jeden Tag positive Dinge über dich, deine Stärken, deine Partner und deine Beziehungen notierst. Hinterfrage in diesem Tagebuch zum Beispiel auch alle Signale von anderen, die du als negativ deutest. Sind sie wirklich 100% eindeutig oder projizierst du einfach nur Ängste aus vergangenen Situationen? Es ist wichtig, dass du hier in einen intensiven, rationalen und emotionsfreien Selbstdialog gehst. Stelle dir vor, du würdest mit einer außenstehenden Person über die Situationen reden, die dich unsicher machen. Wie würde diese Person die Situation bewerten?
Das kann zum Beispiel so aussehen:
Die Situation: Mein:Meine Partner:in hat mir heute keinen Abschiedskuss gegeben, bevor er/sie zur Arbeit gefahren ist.
Deine Angst: Vielleicht ist er:sie aus irgendeinem Grund sauer auf mich.
Hinterfragung: Gibt es denn einen Grund, dass er:sie sauer sein könnte? Wenn ja, ist dieser Grund wirklich etwas, was ihn:sie sauer machen könnte? Hat ihn:sie so etwas in der Vergangenheit schon mal sauer gemacht? Bist du dir sicher, dass er:sie dann nicht darüber reden würde? …
Gegenargumente: Sicherlich war er:sie einfach nur in Eile. Gibt es Anzeichen dafür, dass er:sie eventuell in Eile war?
Aktionsplan: Falls du dir nach diesem Selbstdialog noch immer unsicher bist, und die Situation als sehr ungewöhnlich ansiehst, solltest du deinen:deine Partner:in direkt danach fragen. Direkte, sanfte Kommunikation löst unnötige Grübeleien immer am schnellsten.
So kannst du auch lernen, die eigenen Gefühle zu regulieren.
Langfristig:
Falls du mit der Umsetzung dieser Strategie anfangs Schwierigkeiten hast, kann dir professionelle Unterstützung durch Coaching oder Therapie helfen. Tiefsitzende Glaubenssätze zu bearbeiten braucht manchmal Zeit und vor allem Übung.
2. Autonomie entwickeln
Die Abhängigkeit vom Partner kann reduziert werden, indem du lernst, eigene Bedürfnisse zu erkennen und dich mit dir selbst zu beschäftigen.
Tipp:
Widmen dich regelmäßig Aktivitäten, die dir wirklich Freude bereiten und unabhängig von deiner Beziehung sind. Ich betone hier „wirklich Freude bereiten“, denn viele Menschen tendieren dazu, sich einfach nur abzulenken. Sie beginnen sich zum Beispiel mit Freunden zu treffen, um mal etwas ohne Partner:in zu unternehmen, schauen dabei aber ständig auf ihr Telefon.
Versuche eher ein Hobby zu finden, was dich wirklich gedanklich und emotional einnimmt. Etwas, was deinen Fokus zurück auf dich und die Tätigkeit bringt. Für Menschen, die oft stark verkopft sind, sind Hobbies sinnvoll, bei denen sie denken müssen. So hat dein Gehirn keine weitere Kapazität zum Grübeln über die Beziehung. Beim Kampfsport musst du zum Beispiel komplett geistig aufmerksam und anwesend sein, damit du agieren kannst. Oder bei Strategiespielen. Auch Kunst kann diesen Effekt haben, oder Musik machen. Probiere einiges aus und entscheide dich für das, was dich am meisten positiv einnimmt.
Langfristig:
Es wird dir unheimlich gut tun, etwas zu finden, was du nur für dich entdeckst.
3. Kommunikationsfähigkeiten verbessern
Wie bereits erwähnt, ist klare und respektvolle Kommunikation oft der Schlüssel, um Ängste auszudrücken, ohne die Partner zu überfordern.
Tipp:
Statt Vorwürfe zu machen („Du kümmerst dich nie um mich!“), formuliere deine Gefühle und Wünsche („Ich fühle mich unsicher, wenn wir nicht so oft reden. Es würde mir helfen, wenn wir mehr Zeit miteinander verbringen könnten.“).
Eine komplette Anleitung zum lösen von Beziehungsstreits findest du in diesem Artikel: Beziehungsstreit lösen
Langfristig:
Sehe Konflikte als Chance, um Nähe aufzubauen und dich zu öffnen, anstatt sie als Bedrohung wahrzunehmen. Sich emotional zu öffnen braucht manchmal etwas Mut, doch wenn nicht gegenüber deinem:deiner Partner:in wem dann? Konflikte sind tatsächlich auch ein guter Test für Partnerschaften. Ein:Eine Partner:in, der bei dem ersten Konflikt auf und davon ist, ist sowieso nicht gerade der:die gesündeste für dich. Die Menschen, denen du wirklich wichtig bist, werden daran arbeiten wollen, Konflikte mit dir zu schlichten und demokratisch zu lösen.
4. Realistische Erwartungen entwickeln
Perfekte Sicherheit und Nähe sind in keiner Beziehung durchgehend möglich. Akzeptiere, dass auch der:die beste Partner:in nicht alle deine Ängste beseitigen kann. Das ist hauptsächlich deine eigene Aufgabe.
Partner sind keine Ersatzeltern. Sie sollten nicht die Rolle des „Kümmernden“ einnehmen. In einer erwachsenen Beziehung gibt es zwei autonome Personen. Jeder hat seine eigenen Bedürfnisse, Sorgen und Geschichten.
Tipp: Erinner dich daran, dass Distanz nicht gleich Liebesentzug bedeutet. Vertrauen wächst mit der Zeit und benötigt Geduld.
5. Professionelle Hilfe suchen
Eine Therapie, insbesondere in Ansätzen wie der Schema-Therapie oder Bindungstherapie, kann helfen, tief verwurzelte Ängste und Muster aufzulösen.
Weitere Tipps findest du in dem Artikel über Bindungsangst und Verlustangst.
Fazit
Der ängstliche Bindungstyp steht vor verschiedenen Herausforderungen, die aber keineswegs unüberwindbar sind.
Mit der Stärkung deines Selbstwertgefühls, einer bewussten Reflexion der eigenen Ängste, der positiven Gestaltung des Alltags und dem Aufbau gesunder Kommunikationsmuster kannst du lernen, erfüllende und stabile Beziehungen zu führen.
Der Schlüssel liegt darin, dir selbst mehr Sicherheit und Liebe zu schenken – denn eine stabile Beziehung zu sich selbst ist die Grundlage für jede andere Beziehung.
Falls du dich in diesen Beschreibungen wiedererkennst, denke daran: Veränderung ist möglich, und du bist nicht allein. Jeder Schritt, den du in Richtung Selbstakzeptanz und persönliches Wachstum machst, bringt dich näher an die Beziehung, die du verdient hast.
Wenn du selbst deine Beziehungsmuster bearbeiten und endlich den:die richtigen:e Partner:in finden willst, kann dir z.B. der folgende Kurse helfen:
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