
Gastbeitrag von Beziehungscoach Caroline Höchtl
Inhalt
Viele Frauen empfinden sich als unabhängig, leistungsstark und souverän.
Sie können für sich sorgen, haben ihr Leben im Griff und sind beruflich erfolgreich.
Wie kann es sein, dass viele von ihnen sich in ihrem Liebesleben unglücklich, nicht gesehen oder einsam fühlen? Nach Außen wirkt es, als hätte die starke Frau alles. Doch im Innen fühlt sie sich vielleicht nicht gut genug. Weil sie keinen Partner hat und es mit einer Beziehung einfach nicht
klappen will.
Immer wieder gerät sie an die falschen Männer.
Oder weil sie in einer unglücklichen Beziehung steckt, in der sie mehr gibt, als sie zurückbekommt und ihre Bedürfnisse nicht erfüllt werden. In der sie gestresst ist und sich emotional weder gesehen noch unterstützt fühlt und schon gar nicht auf Händen getragen.
Das verletzte Kind im Innen
Starke Frauen sind oft schwach in der Liebe, weil sie ein inneres Kind mit alten, ungeheilten Verletzungen in sich tragen.
Verletzungen aus der Kindheit, aus Beziehungen zu anderen Menschen, in denen sie abgelehnt, nicht gesehen oder verlassen wurden.
Wenn als Kind unsere Bedürfnisse nicht erfüllt wurden, schließen wir daraus automatisch, dass wir nicht gut genug sind. Denn sonst
hätten unsere Bezugspersonen sie erfüllt – so denken wir unterbewusst. Obwohl das nicht wahr ist.
Damit schaden diesen alten Wunden unserem Selbstwert. Wir tragen ein Gefühl des nicht-gut-genug-Seins tief in uns, das zwar im Alltag gut versteckt bleibt, aber in bestimmten Situationen getriggert werden kann. Wie beispielsweise in Beziehungen mit Menschen, die uns sehr nahe stehen. Weil es schmerzt, so verwundbar und verletzt durch die Welt zu gehen, machen starke Frauen eines: Sie kompensieren diese Schwäche und das Gefühl der Wertlosigkeit durch Stärke im Außen – in der Hoffnung, dass keiner merkt, was dahinter ist: immer noch ein verletzliches inneres Kind.
Hyperkompensation im Außen
Wert durch Leistung
Diese Stärke im Außen zeigt sich in Hyperkompensation durch besonders viel Leistung durch ständiges Beweisen-wollen des eigenen Wertes. Das kann im Beruf sein, aber auch im privaten Bereich.
Oft sehe ich es bei berufstätigen Müttern: Die neben den Kindern noch arbeiten, den Haushalt alleine schmeißen, diverse Nebentätigkeiten haben und auch Zuhause den Ton angeben. Bei all dem Tun und Funktionieren sind sie fast ausschließlich im Außen und wenig bei sich.
In der Liebe
Die Stärke im Außen zeigt sich auch in Singlefrauen, die auf einen Mann zugehen und ihn nach einem Date fragen – weil sie es können. Wenn er sich nicht meldet, schreiben sie ihn an. Wenn er die Dinge nicht in die Hand nimmt, tun sie es eben. Auch weil sie denken, dass sie die „Stärkere“ sind und mit dem Risiko der Zurückweisung umgehen können.
Wenn sie in einer Beziehung sind, geraten sie so schnell in die Rolle derjenigen, die alles organisiert und die Hauptverantwortung trägt. Sie hat alles im Griff und sagt dem Partner oft sogar, was er zu tun hat. Aber das ist in Wahrheit der Versuch, die Beziehung (und den Mann) zu kontrollieren. Damit alles so läuft, wie sie es sich wünscht und ja nichts schiefgeht oder anders läuft, als in ihrer Vorstellung.
Und das funktioniert nicht, denn Männer wollen nicht kontrolliert werden. Sie leisten entweder Widerstand oder gehen.
Und vor allem: Sie spüren, dass die Bemühungen der Frau – und sind sie auch noch so harmlos oder gut kaschiert – in Wahrheit aus einem schlechten Selbstwertgefühl kommen.
Äußere Härte oder die Mauer um das Herz
Taff oder sogar hart zu sein, um nicht so leicht verletzbar zu sein, ist ebenfalls ein Hyperkompensationsmechanismus. Er entsteht aus der inneren Verletzlichkeit und Schwäche.
Weil wir nicht wissen, wie wir mit dem verletzen inneren Kind in uns umgehen sollen, schieben wir diesen Anteil einfach weg. Damit wir diese Gefühle nicht fühlen müssen. Das innere Kind ist auch bedürftig, wofür sich starke Frauen oft verurteilen. Auch damit schieben sie das Kind weg. Denn bedürftig ist das Letzte, was eine starke Frau sein will.
Ebenso halten wir durch äußere Härte andere Menschen oft von uns fern und lassen sie nicht zu nahe kommen. Es ist wie eine innere Mauer um das Herz, durch die keiner durchkommen soll.
Etwas, das ich auch oft bei Frauen beobachte, ist: Wenn diese Mauer bei einem Mann anfängt zu bröckeln, weil sie sich einen Partner wünschen und ihn an sich heranlassen, kippt das Ganze oft.
Sie kippen in die innere (kindliche) Bedürftigkeit und schwanken dann oft zwischen Stärke/Härte und Bedürftigkeit/emotionaler Abhängigkeit hin und her.
Die Schwäche im Innen kommt trotzdem wieder hoch
So gibt es immer mal wieder Momente, in denen all das Hyperkompensieren nicht verbergen vermag, was sich im Inneren abspielt: Wenn ein Mann, bei dem wir uns Hoffnungen auf eine Beziehung gemacht haben, nach einem Date ghostet fallen wir in ein Loch.
Wenn wir uns sehr bemühen, einen Mann zu überzeugen, ihm alles recht machen, nie schwierig oder kompliziert sind und dafür unsere eigenen Bedürfnisse zurückstellen. Und er sich trotzdem für eine andere Frau entscheidet.
In solchen Situationen kommt das alte Gefühl von Wertlosigkeit wieder hoch.
Auch in Beziehungen, kann dieses Muster immer noch stark wirken: Wenn eine Frau sich immer bemüht, die gute Ehefrau zu sein – und er geht trotzdem fremd. Oder wenn wir unsere Bedürfnisse äußern und er über sie hinweggeht und wir uns klein und machtlos fühlen.
In allen diesen Situationen fühlen wir (wenn auch unterbewusst) wieder die alte Verletzung. Und denken uns unterbewusst: Irgendwo muss es ja doch daran liegen, dass ich einfach nicht gut genug bin. Egal wie hart wir dafür arbeiten und wie sehr wir uns bemühen, gut
genug zu sein.
Unterdrückung des Weiblichen
Starken Frauen fehlt bei all der Kontrolle, Leistung und Härte das Weiche und damit das Weibliche. Sie ist in der männlichen Energie. Und weil Polarität sich in Beziehungen anzieht und gleiche Energien sich abstoßen, fühlen sich männliche Männer nicht angezogen von ihr.
Stattdessen ziehen die Frauen schwache, unsichere, bindungsvermeidende oder weibliche Männer an. Und sind automatisch in der Rolle der Macherin, der Verantwortlichen und derjenigen, die härter für die Beziehung arbeitet.
Starke Frauen ziehen die falschen Männer an
Deshalb landen starke Frauen immer wieder bei Männern, die problembelastet sind, wenig Initiative zeigen, sich nicht binden können oder wollen. Bei Männern, die Bindungsangst haben oder die gesamte Verantwortung auf die Frau abwälzen.
Das Ergebnis sind On-off-Beziehungen, dass es nicht zu einer Beziehung kommt oder andere Probleme wie Einseitigkeit und ausgenutzt zu werden. Doch den Frauen in diesen Situationen ist oft nicht klar, dass sie selbst mit ihrem Hyperfunktionieren diese Dynamik maßgeblich mitgeschaffen haben. Denn sie haben dem Mann von Anfang an die männliche Rolle genommen. Ohne es zu wissen oder gewollt zu
haben.
Natürlich braucht es dafür auch den entsprechenden Mann, der zu dieser Dynamik beiträgt. Deswegen geht es auch nicht darum, zu sagen, die Frau ist schuld. Das sind unbewusste Prozesse, die wir nicht verändern können, solange sie uns nicht bewusst sind.
Heilung
Doch was wir wirklich tun müssten, ist diese alten Verletzungen zu heilen. Um nicht immer wieder diese Erfahrungen und Männer in unser Leben zu ziehen. Denn solange wir sie noch in uns tragen, ist das tiefe Gefühl des „nicht gut genug Seins“ noch in uns da. Egal wie erfolgreich wir im Außen sind, wie viel wir erreicht haben oder wie gut wir aussehen.
Wir ziehen aufgrund einer energetischen Resonanz immer wieder Erfahrungen an, die die alten Gefühle in uns auslösen.
Weibliche Stärke
Deswegen kommt wahre weibliche Stärke nicht daher, im Außen besonders unabhängig, taff oder souverän zu wirken. Oder den eigenen Wert über Leistung und Selbstbehauptung zu beweisen. Denn das ist nur Hyperkompensation für die Schwäche, die wir im Innen immer
noch fühlen. Wahre weibliche Stärke kommt von innen. Dazu gehört emotionale Stabilität und Resilienz, sowie ein gesunder Umgang mit den eigenen Gefühlen (vor allem den negativen) und wirkliches Selbstwertgefühl.
Selbstwert und die Rolle der Versorgung des inneren Kindes
Sich von innen heraus wertvoll zu fühlen ohne dafür etwas leisten zu müssen oder Bestätigung von außen zu brauchen. Zu spüren und zu verkörpern, dass man es verdient hat, gut behandelt und geliebt zu werden – und nichts dafür geben zu müssen.
Wir erreichen dies, indem wir uns zuerst einmal dem inneren Kind zuwenden und es versorgen. Damit es heilen kann, braucht das innere Kind die Erfahrung gehalten und gesehen zu werden.
Dadurch erreicht man die Heilung der alten Wunden, sodass das innere Kind diesen alten Glaubenssatz:
,,Ich bin nicht gut genug“ – endlich ein für alle Mal ablegt
und von seinem Wert wirklich überzeugt ist.
Falls du tiefer in die Thematik des inneren Kindes eintauchen möchtest, schau dir gerne diesen Artikel an:
>>Die Heilung des inneren Kindes






