Bindungsangst und Verlustangst: warum sie zusammenhängen

 

Wie du Verlustangst überwinden kannst – 5 Schritte

Manche Menschen können ganz unbeschwert Beziehungen und Partnerschaften eingehen. Wir alle kennen diese Menschen in unseren Freundeskreisen. Sie sind nie lange Single. Wenn sie es sind, finden sie recht schnell wieder einen Partner. Doch dann gibt es da auch noch die anderen Menschen, denen es unheimlich schwer fällt, einen Partner zu finden. Manche sind sogar Dauersingle oder sie finden nur Beziehungen, die einen toxischen Charakter haben. In solchen Fällen kann es viele Ursachen geben, doch meistens steckt eine Form der Beziehungsangst bzw. Bindungsangst dahinter.

Was ist Bindungsangst?

Bindungsangst ist ein psychologisches Phänomen, das sich durch die Unfähigkeit manifestiert, sich auf eine langfristige Beziehung oder tiefe emotionale Bindungen einzulassen. Menschen mit Bindungsangst können Schwierigkeiten haben, Vertrauen aufzubauen, Nähe zuzulassen oder sich auf eine Partnerschaft einzulassen, aus Angst vor möglicher Enttäuschung oder Verletzung. Diese Ängste haben meist verschiedene Ursachen. Eine davon könnte Verlustangst sein.

Woher kommen Verlustängste?

Verlustängste haben oft ihre Wurzeln in vergangenen Erfahrungen von Trennung oder Verlust. Diese könnten durch den Verlust eines geliebten Menschen, eine traumatische Trennung oder sogar Vernachlässigung in der Kindheit ausgelöst werden. Solche Erfahrungen können dazu führen, dass Menschen Angst davor haben, erneut verletzt oder verlassen zu werden. Unser Gehirn ist dafür gemacht zu lernen und uns vor Gefahr zu schützen. Hat es einmal eine schlechte, sehr schmerzvolle Erfahrung gemacht, dann will es uns in Zukunft davor schützen. Das ist seine Aufgabe. Somit signalisiert es uns unterbewusst “Gefahr”, wenn sich eine tiefere Beziehung ankündigt oder unser Partner sich in der Beziehung anders verhält, als wir es uns erhofft hatten.

Wie beeinflusst die Verlustangst Beziehungen?

Wie bereits am Anfang erwähnt, gibt es Menschen, die nie so wirklich eine Beziehung finden. Sollte die Verlustangst dahinter stecken, dann tritt bei ihnen folgendes Problem auf: sie können sich schwer vorstellen, dass jemand bei ihnen bleibt, ohne sie wieder zu verlassen. Dieser Irrglaube ist unterbewusst schwer in ihnen verankert und steht oft  in Verbindung mit einem Minderwertigkeitsgefühl. So kann es vorkommen, dass sie sich dessen gar nicht bewusst sind und sich eigentlich eine Beziehung wünschen. Doch wenn sie einen netten Menschen finden, den sie mögen, trauen sie sich unterbewusst nicht, diesen in ihr Leben zu lassen.

Finden sie hingegen jemanden, der nicht wirklich verfügbar ist, weil er/sie zum Beispiel keine Beziehung möchte oder sogar in einer Beziehung ist, dann spüren sie plötzlich den Wunsch, diesen Menschen für sich gewinnen zu wollen. Es ist sehr paradox und ungesund, doch diese Anziehung resultiert aus dem unterbewussten Eindruck, dass jemand, der nicht verfügbar ist, keine mögliche Gefahr darstellen kann. Was man nicht hat, kann man nicht verlieren. Wenn man nichts riskiert, kann man nicht verletzt werden. Doch leider sind unpassende Partner nicht die Lösung, sondern machen es natürlich nur noch schlimmer.

Verlassenheitswunde

Sollten sich die nicht verfügbaren Partner auf eine Affäre einlassen, wird bei dem Verlustängstler trotzdem die Verlassenheitswunde getriggert. Denn eigentlich wünschen sie sich Nähe. Doch nun sind sie mit jemandem verbunden, der sich ständig wieder zurückzieht. Es ensteht eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Dadurch, dass unterbewusst unpassende Partner gewählt werden, wird man tatsächlich wieder verlassen. So wie man es befürchtet hatte.

In Beziehungen kann sich die Verlustangst auf verschiedene Arten äußern. Menschen mit starken Verlustängsten könnten dazu neigen, sich in ihrer Beziehung zurückzuziehen, aus Angst davor, verletzt zu werden. Sie können auch dazu neigen, an ihrem Partner sehr festzuhalten, zu klammern und bedürftig zu wirken, was die Beziehung belasten kann.

Auch Eifersucht kann unglaublich stark werden. Jedes Anzeichen für einen möglichen Verlust des Partners löst unglaubliche Ängste aus. Diese Ängste können dazu führen, dass sie sich in einem Teufelskreis befinden, in dem sie sich sowohl nach Nähe sehnen als auch davor zurückschrecken.

Wie du mit Verlustangst umgehen kannst

Die Bewältigung von Verlustangst erfordert Zeit, Selbstreflexion und möglicherweise professionelle Unterstützung. Hier sind einige Schritte, die du ausprobieren kannst, um Verlustangst zu überwinden:

1. Selbstreflexion:

Nimm dir Zeit, um deine eigenen Ängste und deren Ursachen zu erkunden. Indem du verstehst, woher deine Verlustangst kommt, kannst du besser damit umgehen. Was hat dich in deiner Vergangenheit sehr verletzt? Welche Beziehungen haben dich früh geprägt? Hast du eventuell eine Bezugsperson durch Krankheit oder Tod verloren? Wie war die Beziehung zu deinen Eltern oder Erziehungsberechtigten? Durch diese Fragen kannst du deinen früheren Prägungen mehr auf den Grund gehen. Finde heraus, woher deine Ängste kommen und frage dich, ob sie in neuen Beziehungen noch berechtigt sind? 

Wenn deine Ängste aus der Kindheit kommen, hängt mit der Angst auch immer eine Abhängigkeit zusammen. Von der Beziehung zu unseren Eltern waren wir zum Beispiel abhängig, denn wir brauchten Fürsorge. Daher war die Angst, die Eltern zu verlieren, extrem groß. Der Verlust der Eltern würde ein junges Kind hilflos, schutzlos und verletzlich machen.

Doch als Erwachsene sind solche Ängste unberechtigt. Selbst wenn wir alle lieben Menschen um uns herum verlieren würden, wären wir trotzdem noch überlebensfähig. Wir befinden uns nicht mehr in einer überlebenswichtigen Abhängigkeit von einer Person.

Erkunde also deine Vergangenheit, nehme den Schmerz, deine Trauer und die Enttäuschung an und frage dich im Anschluss, ob deine Ängste noch Relevanz haben.

2. Kommunikation:

Teile deine Ängste und Sorgen mit deinem Partner. Erzähle ihm oder ihr von deiner Vergangenheit. Offene und ehrliche Kommunikation kann dazu beitragen, Missverständnisse zu klären und das Vertrauen in die Beziehung zu stärken.

3. Selbstfürsorge:

Kümmere dich um dich selbst und deine Bedürfnisse. Selbstfürsorge ist entscheidend, um ein gesundes Selbstwertgefühl aufrechtzuerhalten und emotionale Stabilität zu fördern. Falls es dir schwer fällt, nicht ständig an deinen Partner zu denken oder dir Sorgen zu machen, suche dir Beschäftigungen und Hobbys, die dich erfüllen und dir Spass machen. Ein Partner sollte nicht der Mittelpunkt deines Lebens werden. Verlustängstler versuchen oft, im Partner einen verlorenen Elternteil wieder zu erwecken und erwarten dadurch einen Grad an Liebe und Aufmerksamkeit von ihm/ihr, den er/sie niemals leisten kann. Mache dir bewusst, dass du jetzt erwachsen bist und dich um dich selbst kümmerst, während dein Partner nur einen Teil deines Lebens darstellt. Bist du zum Beispiel traurig, dann kontaktiere nicht immer direkt deinen Partner. Versuche, deine Emotionen zuerst selbst zu regulieren, indem du die Traurigkeit annimmst, die Situation reflektierst und dich dann fragst, wie du dich selbst wieder glücklicher machen kannst.

4. Neue Erfahrungen machen:

Du kannst Verlustangst heilen, indem du die alten schmerzhaften Erfahrungen, die dein Gehirn abgespeichert hat, durch neue, positive Erfahrungen ersetzt. Das heißt, du kannst dich trauen, neue Menschen in dein Leben zu lassen. Im besten Fall sollten das natürlich verfügbare Menschen sein. Und sie sollten in dir ein Gefühl von Sicherheit auslösen. Vielleicht kennst du dieses Gefühl bisher gar nicht und bist es nur gewohnt, ständig in Angst und Ungewissheit zu leben. Doch wenn du bisher zum Beispiel immer auf Nachrichten von deinem Partner warten musstest, wäre eine Person, die sich von alleine regelmäßig bei dir meldet, eine positive Erfahrung. Versuche “Schmetterlinge” im Bauch nicht mit dem Thrill der Ungewissheit zu verwechseln. Manchmal stößt unser Körper Adrenalin aus, weil er in Panik ist, doch wir denken “Oh wow, ich bin total hin und weg von diesem Menschen!”. Wenn wir an dieses extreme Gefühl gewöhnt sind, ist es schwer sich vorzustellen, dass Liebe eigentlich andere Gefühle auslösen sollte. Vertrauen, Sicherheit, Freude, Geborgenheit, … suche eher nach diesen Gefühlen in Partnerschaften.

5. Therapie:

Wenn du alleine nicht weiter kommst, und dir Unterstützung wünscht, ist es hilfreich professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein_e Therapeut_in kann dir dabei helfen, deine Ängste zu verstehen und Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Die Überwindung von Verlustangst ist ein Prozess, der Zeit, Geduld und Mut erfordert.

Durch die Selbstreflexion und Erkundung deiner Gefühle lernst du dich selbst besser kennen und verstehen. So kannst du aus deinen alten Mustern ausbrechen und neue Erfahrungen machen. 

Es ist wichtig, sich selbst Mitgefühl entgegenzubringen und geduldig mit sich selbst zu sein, während du daran arbeitest, deine Ängste zu bewältigen. Letztendlich kann die Überwindung von Verlustangst dir helfen, tiefere und erfüllende Beziehungen aufzubauen und ein glücklicheres Leben zu führen.

Setze dich nicht unter Druck. Freue dich auf den Lernprozess und die Heilung, die dieser mit sich bringt. 

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Wenn du mehr über das Thema Bindungsängste lernen möchtest, empfehle ich dir die Online Akademie der Therapeutin Stefanie Stahl.

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